Doppelte Wurzeln, doppelte Stärke: Kulturvermittlung im Dialog

wochenblatt.pl 13 godzin temu
Zdjęcie: Barbara Stoklossa-Braems Titelbild


Das Entsendeprogramm des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) unterstützt Organisationen der deutschen Minderheiten in Osteuropa und Zentralasien durch den Einsatz von Kulturmanager:innen sowie Redakteur:innen. Mit ihrem Fachwissen helfen sie nicht nur bei Projekten, sondern auch dabei, ein modernes Deutschland- und Europabild zu vermitteln und die kulturelle Vermittlerrolle der Organisationen zu stärken. Wir sprechen mit den Entsandten über ihre Aufgaben, Ziele und Beweggründe für diese interkulturelle Tätigkeit. Mit Barbara Stoklossa-Braems, Regionalkoordinatorin für Polen, Tschechien und die Slowakei, sprach Victoria Matuschek.

Du bist mittlerweile im vierten Jahr als Regionalkoordinatorin beim ifa tätig. Wie bist du damals auf die Stelle aufmerksam geworden – und was hat dich motiviert, dich in dieser Funktion zu engagieren?

Das ifa kenne ich bereits seit 2012. Bis ich mich jedoch konkret beworben habe, habe ich in verschiedenen Kulturinstituten weltweit, zum Beispiel beim Goethe-Institut in Indonesien, gearbeitet. Letztlich war es eine glückliche Fügung: Einerseits hatte ich bereits die nötige Berufserfahrung, andererseits sprach mich die Kombination aus einem renommierten, international tätigen Arbeitgeber und der konkreten Zuständigkeit für eine bestimmte Region an. Besonders reizvoll war für mich die Station in Polen – auch aus einem persönlichen Wunsch heraus, wieder in dieses Land zurückzukehren.

Barbara Stoklossa-Braems vor ihrem Mural-Projekt – ein Sinnbild für Offenheit und die gelebte Freundschaft zwischen Deutschland und Polen.
Foto: Frank Gaudlitz

Du warst beruflich in vielen Ländern unterwegs. Wie sieht deine aktuelle Tätigkeit konkret aus – oder besser gesagt: Welche Aufgaben prägen deine Arbeit als Regionalkoordinatorin am meisten?

Einen klassischen Arbeitsalltag gibt es tatsächlich nicht – jeder Tag bringt neue Themen. Dennoch folgt das Jahr einem gewissen Rhythmus, was bestimmte Aufgaben zeitlich stärker in den Fokus rückt. Für mich lassen sich meine Tätigkeiten in drei große Aufgabenbereiche unterteilen:

Zum einen begleite ich direkt die Kulturmanager:innen und Redakteur:innen in meiner Region. Ich unterstütze sie bei inhaltlichen Fragen zu ihren Projekten und bin ihre erste Ansprechperson für alle Anliegen rund um das Entsendeprogramm – und darüber hinaus. Aktuell begleite ich neun Entsandte in Polen, Tschechien und der Slowakei.

Zum anderen stehe ich im engen Austausch mit den Kolleg:innen in Stuttgart – sowohl mit der Programmkoordination als auch mit Bereichen wie Social Media und der Administration. Hinzu kommt die Zusammenarbeit mit der Kollegin aus den Stipendienprogrammen, da auch Stipendiat:innen hier vor Ort sind. Ich fungiere also als Bindeglied und übermittle Informationen in beide Richtungen – sei es zu laufenden Projekten, zur politischen Lage oder zur Situation der deutschen Minderheit in den Regionen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Netzwerken – sowohl mit den lokalen Gastinstitutionen und Partnern als auch länderübergreifend innerhalb der Region. Besonders gerne organisiere ich die Regionaltreffen, bei denen die Entsandten aus Polen, Tschechien und der Slowakei, die Vertreter:innen der Gastinstitutionen sowie die Kolleg:innen aus Stuttgart zusammenkommen, um die Ausrichtung für das kommende Entsendejahr zu planen. Diese Treffen rotieren jährlich und sind für mich eine schöne Gelegenheit, alle Entsandten der Region zusammenzubringen. Während meiner Tätigkeit haben wir in Oppeln gestartet, waren danach in Bratislava, Prag und zuletzt in Allenstein. Ein wichtiges Element der Regionaltreffen ist der Austausch mit den lokalen Partnern aus der Zivilgesellschaft sowie der Politik. Seit zwei Jahren sind auch die Entsandte und ihre Institution aus Kasachstan dabei – was ich persönlich als große Bereicherung empfinde. Da wir seit dem Beginn des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine die Entsendungen aus Russland und Belarus aussetzen mussten, ist die Entsandte aus Zentralasien bzw. Kasachstan mit der Vertreterin der Gastinstitution bei den Regionaltreffen der Entsendeländer Mittelosteuropa dabei. Da es in meiner Region einige Redaktionsstellen gibt, versuchen wir bei der Programmgestaltung auch für diese spezifisch inhaltliche Schwerpunkte zu setzen. Diese Regionaltreffen sind immer wieder ein Impulsgeber für neue Kooperationen – mit bestehenden Partnern, aber auch mit Organisationen, die ähnliche Themen bearbeiten. Das ist für mich eine der schönsten Seiten der Arbeit: überregionale, internationale Vernetzung.

Darüber hinaus vertrete ich das ifa und das Programm auch gegenüber den Auslandsvertretungen – insbesondere bei den jährlich im Herbst stattfindenden Planungsgesprächen in den Botschaften. Dabei geht es um die strategische Ausrichtung für das kommende Jahr – im Austausch mit dem Auswärtigen Amt sowie mit anderen Kulturmittler:innen und Akteur:innen der deutschen Minderheitenarbeit.

Wenn neben diesen vielfältigen Aufgaben Zeit bleibt, versuche ich, eigene Projekte zu realisieren oder mich an bestehenden zu beteiligen. Ein Beispiel ist das Mural-Projekt hier vor Ort oder auch das Mentoring-Programm für geflüchtete Frauen aus der Ukraine, das wir im Sommer 2022 relativ kurzfristig initiiert haben und bei dem ich auch als Mentorin mitgewirkt habe. Das Mentoringprogramm unterstützte geflüchtete Frauen aus der Ukraine dabei, sich in einem neuen Land zurechtzufinden. Das Programm brachte sie vor Ort im Rahmen eines Mentorings mit Vertreter:innen der deutschen Minderheiten in ihren Zufluchtsländern zusammen.

Du hast schon einen umfassenden Einblick gegeben, wie du die Kulturmanager:innen und Redakteur:innen in deiner Region begleitest. Besonders spannend fand ich den Aspekt der länderübergreifenden Zusammenarbeit. Was sind aus deiner Sicht die größten Herausforderungen, die den Entsandten begegnen – auch mit Blick auf die unterschiedlichen Länder? Gibt es gemeinsame Themen, die überall auftauchen, oder unterscheidet sich das stark je nach Einsatzort?

Eine zentrale Herausforderung, die für alle Entsandten gilt – unabhängig vom Land –, ist das Spannungsfeld zwischen zwei institutionellen Bezugspunkten: dem ifa als Arbeitgeber in Deutschland und der jeweiligen Gastinstitution im Einsatzland. Diese doppelte Anbindung bringt unterschiedliche Erwartungen und Zielsetzungen mit sich – einerseits jene des ifa, das einem klaren Förderauftrag folgt, und andererseits die der Partnerinstitutionen vor Ort, die sich wiederum an andere Rahmenbedingungen und Fördergeber richten.

Meine Aufgabe besteht darin, sie dabei zu unterstützen und auch gegenüber den Gastinstitutionen regelmäßig zu verdeutlichen, dass die Entsendung einen Mehrwert bringen soll – durch neue Impulse, Perspektiven und Methoden.

„Offenheit und Mut sind der Schlüssel zum nachhaltigen Wandel.“

Natürlich unterscheiden sich die lokalen Kontexte stark: Die Gastinstitutionen variieren in Größe, Struktur und thematischer Ausrichtung. Während manche Entsandte in Großstädten wie Bratislava oder Prag tätig sind und von einem dichten Netzwerk profitieren, arbeiten andere in eher peripheren Regionen, wo sie Netzwerke und Strukturen erst aufbauen müssen. Diese unterschiedlichen Realitäten mit zu bedenken und individuell darauf einzugehen – das ist eine der Kernaufgaben in meiner Rolle als Regionalkoordinatorin.

Du hast bereits angesprochen, dass jede Situation individuell ist – sei es die Koordination oder die persönliche Begleitung der Entsandten. Was hilft dir dabei, diesen Spagat zu meistern, der auch interkulturelle Sensibilität erfordert?

Ein großer Vorteil ist sicher, dass ich aus der Region komme – aus der Oppelner Gegend und der deutschen Minderheit. Das schafft nicht nur persönliche Motivation, sondern auch ein tiefes Verständnis für die Strukturen hier vor Ort – gerade in kleineren Ortschaften. Ich komme aus einem Dorf in der Gegend, in dem ich heute wieder lebe. Bei uns lag sonntags immer das Wochenblatt.pl auf dem Tisch. Ich weiß, wie der DFK funktioniert, kenne die alltäglichen Realitäten und auch die Perspektiven der Menschen, die größtenteils ehrenamtlich arbeiten und viel Wertschätzung verdienen.

Dieser Hintergrund hilft mir, zwischen den Erwartungen von außen – etwa vom ifa oder dem Auswärtigen Amt – und der gelebten Realität in der Region zu vermitteln. Es ist eine Balance zwischen strategischer Koordination und praktischer Alltagserfahrung. Genau in diesem Spannungsfeld arbeite ich gerne.

Und nicht zuletzt gelingt dieser Spagat auch dank des großartigen Teams: Die Zusammenarbeit mit den Entsandten – und der kollegiale Austausch untereinander – ist sehr unterstützend, und auch die Kolleg:innen in Stuttgart geben Rückhalt. Das schafft eine Atmosphäre, in der man gut arbeiten kann.

Man spürt, dass dir die Arbeit mit Menschen sehr liegt – du bist offen, präsent, empathisch – und das zeigt sich auch darin, wie du deine Rolle ausfüllst. Du hast einen persönlichen Bezug zur Region und sprichst sowohl fließend Deutsch als auch Polnisch. Wie prägt dich diese doppelte Zugehörigkeit in deiner Arbeit – sei es mit den Entsandten oder im Umgang mit der Mehrheitsgesellschaft und der deutschen Minderheit?

Ich denke, es ist ein großer Vorteil, beides zu kennen – die politischen Rahmenbedingungen ebenso wie die konkrete Realität der Minderheit. Dadurch, dass ich selbst aus der deutschen Minderheit komme, ist der Zugang oft einfacher. Als ich mich vorgestellt habe, hieß es: „Ah, eine von uns.“ Das schafft Vertrauen.

Ich kenne die Kultur und Geschichte der deutschen Minderheit nicht nur theoretisch, sondern aus eigener Erfahrung. Das ermöglicht es mir, sie den Entsandten authentisch zu vermitteln.

Das Team der ifa-Entsandten für Mittelosteuropa und Kasachstan, gemeinsam mit den Kolleginnen aus Stuttgart: Karoline Gil (rechts vorne) und Margarete Walo (links vorne).
Foto: Dawid Szczygielski

Gerade dieser Perspektivwechsel ist wertvoll. Siehst du in deiner Rolle kulturelle Missverständnisse oder blinde Flecken – etwa in der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Polen?

Die bilateralen Beziehungen werden stark von der jeweiligen politischen Lage beeinflusst. Je nachdem, welche Regierungen in Polen und in Deutschland gerade im Amt sind, wird die Tonlage lauter oder leiser. Natürlich beeinflusst das auch die zivilgesellschaftliche Ebene.

Dabei hat man über viele Jahre hinweg große Fortschritte gemacht – sowohl in der historischen Aufarbeitung als auch im Aufbau einer freundschaftlichen Beziehung. Umso trauriger ist es, wenn politische Entwicklungen diesen Dialog wieder erschweren.

Ein konkretes Beispiel aus unserer Arbeit ist der Wandel in der Förderpraxis. Früher war es eher ein Top-down-Ansatz – ‚Wir bringen das Geld, ihr setzt um.‘ Heute gibt es Planungsgespräche, Zielvereinbarungen und echte Dialogformate. Das ist ein wichtiger Schritt weg von einem kolonialen Verständnis hin zu echter Zusammenarbeit auf Augenhöhe.

Was macht das ifa-Entsendeprogramm für dich besonders, gerade in diesen Zeiten?

Es sind die Menschen, die das Programm besonders machen – die Entsandten, die sich entscheiden, in Länder wie Polen, Tschechien oder die Slowakei zu gehen. Sie bringen oft internationale Erfahrungen mit und einen offenen Blick. Diese Auslandserfahrung ist nicht nur für sie persönlich bereichernd, sondern auch für die Gesellschaft vor Ort.

Entsandte fungieren als Brückenbauer:innen – sie repräsentieren Deutschland hier, und wenn sie zurückkehren, nehmen sie neue Perspektiven mit. Sie regen Begegnung an, ermöglichen anderen Zugänge – oft kommen Besucher:innen, die vorher nie an Polen gedacht hätten. Eine Freundin war nun schon dreimal hier und ist jedes Mal begeistert.

Zudem bringen Entsandte frische Impulse in Institutionen, die sich bisweilen in verfestigten Strukturen bewegen. Sie öffnen Räume und stoßen Veränderung an. Weil das Entsendeprogramm bewusst auch in peripheren Regionen aktiv ist – gerade dort, wo europaweit ein spürbarer Rechtsruck zu beobachten ist –, gewinnen besonders junge Menschen neue Handlungsspielräume: Demokratieprojekte stärken ihr Selbstbewusstsein und ihre Teilhabe. Durch die internationale Vernetzung der Entsandten gelangt ein globaler Blick in kleinere Ortschaften und erweitert vor Ort das Verständnis von Toleranz. Die Einbindung in die Gesellschaft wie auch in Institutionen ist damit rundum gelungen – und schafft wechselseitige Akzeptanz.

Und abschließend: Welche Tipps würdest du zukünftigen Entsandten mitgeben?

Wer sich für das Programm entscheidet, bringt meist ohnehin schon viel Offenheit und Interesse mit. Wichtig ist, mutig zu sein und groß zu denken. Die Arbeit der Entsandten wird gesehen und geschätzt. Darum lohnt es sich, Verbündete zu suchen, sowohl in der Minderheit als auch in der Zivilgesellschaft. Gemeinsam kann man viel bewegen.

Besonders bereichernd ist es auch, wenn man in den eigenen Projekten jenen eine Stimme gibt, die sonst wenig Gehör finden – seien es Jugendliche oder marginalisierte Gruppen. Dabei hilft es, auch über die eigene Wirkung nachzudenken: Was möchte ich hinterlassen? Was soll von mir bleiben?

Ich finde, es lohnt sich, pro Jahr ein „Signature-Projekt“ zu haben. Etwas, woran man sich erinnert. Etwas, das im besten Fall auch weitergetragen wird, wenn man selbst längst nicht mehr vor Ort ist. Solche Spuren zeigen, wie viel möglich ist – gemeinsam, auf Augenhöhe und mit echtem Interesse an den Menschen vor Ort.

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