Frisch verliebte Paare können sich stundenlang küssen, enge Freunde geben sich zur Begrüßung ein Wangen-Bussi. Küssen zeigt Nähe und Verbundenheit - kein Wunder also, dass Lippen große Bedeutung für uns haben.
Viele Menschen helfen bei der Schönheit nach und lassen sich die Lippen aufspritzen. Der Trend liegt auch an den sozialen Medien, wo junge Frauen Vorbilder finden.
Volle Lippen als Schönheitsideal
«Volle, schöne, sinnliche Lippen stehen für Jugend, für Fruchtbarkeit, auch für sexuelle Attraktivität», sagt Helge Jens, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie. Rosige, volle Lippen wirkten vital, während schmale, trockene oder faltige Lippen eher Krankheit und Alter symbolisierten.
«Die Lippen spielen in unserem Gefühlsleben eine große Rolle», erklärt der Berliner Psychotherapeut Wolfgang Krüger. Küssen sei die beste und intimste Möglichkeit, Nähe herzustellen - sogar intimer und sinnlicher als Sex.
Behandlungen oft außerhalb von Facharztpraxen
Lippenkorrekturen kamen im vergangenen Jahr nur auf den 15. Platz unter den Schönheitsbehandlungen, 2014 lagen sie noch auf dem siebten Platz. Auf der Straße hat man jedoch den Eindruck, dass aufgespritzte Lippen deutlich verbreiteter sind.
«Ich denke, dass Lippenvergrößerungen in einem hohen Maße nicht in den Facharztpraxen der plastischen Chirurgie gemacht werden», sagt DGÄPC-Präsident Jens. Stattdessen würden sie bei Kosmetikerinnen oder in speziellen Schönheits-Instituten durchgeführt.
Junge Frauen folgen Social-Media-Vorbildern
«Die überwiegende Zahl sind junge Frauen, die einem bestimmten Schönheitsideal nacheifern wollen», erklärt Jens. Inspirationsquelle seien oft Beispiele aus den sozialen Medien. Die Patientinnen kämen mit ausgedruckten Bildern oder Handy-Fotos in die Praxis.
Zu Christiane Bayerl, Direktorin der Klinik für Dermatologie und Allergologie an den Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden, kommen hauptsächlich Frauen ab den Wechseljahren. «Die Lippen werden schmaler mit dem Alter.»
Nebenwirkungen nicht zu unterschätzen
«Bloß weil ein Großteil der Behandlungen gut geht, ist es nicht harmlos», warnt Jens. Man müsse über genaue Anatomiekenntnisse verfügen, um zu wissen, wo man Hyaluronsäure spritzen könne. Häufige Nebenwirkungen seien blaue Flecken, wenn die Spritze ein kleines Blutgefäß erwische.
Es könne auch passieren, dass es unsymmetrisch werde und bei einer erneuten Behandlung korrigiert werden müsse. Hinzu komme die Gefahr von Infektionen und in sehr seltenen Fällen von Gefäßverschlüssen.
Auswirkungen auf das Küssen
Ob man einen Unterschied beim Küssen spürt, hängt davon ab, wie stark die Lippen aufgespritzt sind. Hält es sich in Grenzen, merke man wahrscheinlich keinen Unterschied, meint Bayerl. «Wenn das sehr ausgeprägt ist, hat das Folgen für die Sensibilität.»
Lippen enthalten Nervenenden, die sie empfindlich für Wärme, Kälte und Berührungen machen. «Diese werden durch das Aufspritzen ja nicht mehr, sondern müssen sich über eine größere Oberfläche verteilen», erläutert Jens.
Menschen als einzige küssende Spezies
Menschen sind die einzige Spezies auf der Erde, die sich küsst. Warum wir dieses Verhalten entwickelt haben, lasse sich aus wissenschaftlicher Sicht nicht eindeutig beantworten, sagt Wolfgang Enard, Experte für evolutionäre Anthropologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Eine prominente Idee sei, dass der Kuss über die Weitergabe von Nahrung entstanden ist. Plausibler hält Enard aber die Theorie, dass sich der Kuss als Überbleibsel der Fellpflege entwickelt habe. «Bei den Schimpansen läuft die soziale Interaktion ganz viel über die Fellpflege. Man laust sich.» Beim Menschen sei das Fell verschwunden, und der Kuss habe diese Funktion übernommen.
(dpa) Hinweis: Dieser Artikel wurde mithilfe von Künstlicher Intelligenz überarbeitet.